Artikel von Bettina und Alfred Ramoda Austermann, erschienen in der SEIN im Januar 2011
Aqua-Release® Healing
Badewannentemperatur, einfühlsame Begleitung, ein sicherer Raum: die optimale Umgebung, um sich alten verdrängten Traumen zu öffnen und sie sanft loslassen zu können. Aqua-Release® Healing nennt sich diese Therapieform, die die Heilkraft warmen Wassers für Körper, Geist und Seele nutzt. Sanfte Bewegungen im und unter Wasser erleichtern die Regression in kindliche und vorgeburtliche Stadien und helfen, sie zu integrieren und in einen neuen Raum der Lebensfreude und Kraft zu wachsen.
Aqua-Release® Healing bedeutet Heilung durch Loslassen im Wasser.
Schon bevor die Teilnehmer ins Wasser gehen, werden sie eingeladen, Kontakt zu sich selbst aufzunehmen, zum eigenen Sein, den Gefühlen, Wünschen und Sehnsüchten. Ein innerer Raum wird geöffnet und das, was ist, darf sein. Es ist eine Einladung an unbewusste Anteile, die auf Heilung warten. Das Wasser ist 36 Grad warm, niemand muss frösteln. Alle Teilnehmer bekommen eine einfache Einführung in sicheres Halten, Massieren und Bewegen eines Partners im Wasser. Jeder kann dies sofort anwenden.
Dann beginnt die Partnerarbeit: Du wirst von deinem Partner im Wasser gehalten. Das Wasser trägt dein Gewicht, so dass du für deinen Partner so leicht wirst wie ein kleines Kind. Du darfst loslassen. Unterstützt wird dies durch wohltuende Massagen im Wasser und wiegende Bewegungen. Viele tauchen ein in einen Zustand zwischen Wachen und Schlafen – es ist wie eine innere Reise. Erfahrungen, die schon lange darauf warten, wieder erinnert zu werden, tauchen auf, diesmal aber in neuem Licht. Es können auch Gefühle hochkommen, die nicht zu unserer „Wunschliste“ gehören.
Doch das Wiederspüren gerade dieser Gefühle bringt uns auf tiefe Weise mit uns selbst und mit anderen Menschen in Verbindung und ermöglicht am Ende Lebensfreude und Glück. Du erlebst dich beispielsweise wieder in den Armen deiner Mutter, du spürst vielleicht die mangelnde Geborgenheit von damals und fühlst du dich hilflos, traurig oder ärgerlich. Gleichzeitig erfährst du, dass du jetzt sicher gehalten wirst, spürst die Wärme des Wassers, die Liebe und Aufmerksamkeit deines Partners. Du pendelst zwischen diesen beiden Erfahrungen.Barbara und Sophie
Die Anspannung von damals darf aufweichen, und du erlebst in deinem kindlichen Sein, wie du jetzt gehalten und getragen wirst. Du beginnst, dich deinem Partner zu öffnen. Dein Vertrauen in das Leben wächst allmählich. Es steht mehr Lebenskraft zur Verfügung.
Massage im Wasser
Das, was im Wasser geschieht, ist einmalig und lässt sich an Land nur sehr schwer in dieser Intensität und Tiefe erfahren.
Es begann im Sommer 1991 in der Toskana. Ursprünglich wollte ich ein schamanisches Heilungsseminar anbieten. Das kleine Seminarhaus Romitorio steht ganz dicht an den vulkanischen Heilquellen von Saturnia. Bei den Seminarvorbereitungen erinnerte ich mich an die vielen Stunden, die ich als Kind in Pamukkale/Türkei im Thermalwasser verbracht hatte.
Dort hatte ich das Schwimmen und Untertauchen gelernt, manchmal liebevoll von meinem Vater gehalten. Was lag also näher, als morgens mit der Gruppe in die warmen Quellen zu steigen und sich Gutes zu tun? In meiner Psychotherapieausbildung hatte ich von Gerda Boyesen biodynamische Massage zur Gelenklockerung und Tiefenentspannung gelernt. Über die Lösung von Spannung in den Gelenken und durch verschiedene Massagetechniken entstehen im Darm Geräusche aufgrund der psychischen Verarbeitung von Anspannung und Stress. Dieses Gluckern unseres „zweiten Gehirns“ wird auch Psychoperistaltik genannt. Bernhard und Andreas
Die energetische Entladung der Gelenkflüssigkeit löst Blockierungen, leitet Toxine aus und aktiviert die Selbstheilungskräfte des Körpers. Die Idee, diese Griffe im warmen Wasser mit den Teilnehmern der Gruppe anzuwenden, erwies sich schnell als wunderbares Hilfsmittel.
Durch die Wasserarbeit kam bei jedem Einzelnen viel in Bewegung, und in den anschließenden Teilungsrunden im Gruppenraum berichteten viele von tiefen Erlebnissen. Manche Teilnehmer weinten, als alte Wunden des Verlassenwordenseins aus der Kindheit hervorbrachen, andere spürten lange zurückgehaltene Wut über verletzende Situationen und konnten sie im geschützten Rahmen ausdrücken. Wieder andere hatten Schwebeerlebnisse wie im All oder fühlten sich wie in der Gebärmutter. Spannungen lösten sich, das Urvertrauen kam zurück. „Ich habe mich endlich wie von einer guten Mutter gehalten gefühlt“ berichtete eine Teilnehmerin, die als Baby von der Mutter getrennt und lange im Brutkasten war.
Im Wasser wurde vieles angestoßen. Manches fühlte sich gleich befriedet an, anderes gärte noch etwas. Für viele war die Begleitung „an Land“ nach einer tiefen Erfahrung im Wasser notwendig, um das Angestoßene integrieren zu können.
Mit Nasenklemme ins Transpersonale abtauchen
Aqua-Release® Healing war geboren. Die Methoden und Griffe wurden mit kompetenter Unterstützung der Physiotherapeutinnen Nitya Artelt und Gabriele Ruf sowie der Watsu-Therapeutin Lavida Eversmann verfeinert – seit elf Jahren ist auch meine Frau Bettina mit dabei, den seelischen Tiefgang der Wassertherapie auszuloten. Später kamauch die Unterwasserarbeit mit Nasenklemme und gelegentlich Schnorchel dazu. Diese ermöglicht ein Eintauchen in transpersonale, psychedelische Zustände. Die vielen Rückmeldungen zeigen, welch ein großes, bisher wenig genutztes Heilungspotential in der Wasserarbeit steckt. Durch die Lockerung des Beckens und der Rückenmuskulatur verändert sich das Energiesystem des Körpers. Es fließen ungeahnte Lebensenergien, die oft das Lustpotential und die Lebensfreude steigern.
Im Wasser erinnert sich der Körper an die Geborgenheit in der Gebärmutter, manchmal auch an den verlorenen Zwilling. Das Strömen des Wassers um den Körper lässt ihn mit seiner Umgebung paradiesisch verschmelzen. So müssen sich Delphine fühlen! Es geschieht so vieles, was jenseits von Worten ist. Jemandem die Heilkraft des Wassers zu beschreiben, der sie noch nicht selbst erlebt hat, ist schwer.
Auch das Geben, Halten und Begleiten ist eine tiefe und liebevolle Erfahrung. Man kann alles Überflüssige loslassen. Oft gleitet der Gebende tief in die Meditation – ohne Lotussitz und Rückenschmerzen.
Nachhaltige Traumatherapie
Aqua-Release® Healing unterstützt auf einzigartige Weise die Lösung von Traumata. Peter Levine, einer der bedeutendsten Traumatherapeuten, sagt über das Trauma: „Ein Trauma ist im Nervensystem gebunden. Es ist somit eine biologisch unvollständige Antwort des Körpers auf eine als lebensbedrohlich erfahrene Situation. Das Nervensystem hat dadurch seine volle Flexibilität verloren. Wir müssen ihm deshalb helfen, wieder zu seiner ganzen Spannbreite und Kraft zurückzufinden.“
Das Wasser lädt ein, das Nervensystem vom Trauma zu entbinden. In tiefer Entspannung können Erinnerungen an traumatische Erfahrungen auftauchen. Diese Entspannung unterstützt gleichzeitig die Heilung vom Trauma. Peter Levine hat beobachtet, dass Tiere in freier Wildbahn, die sehr häufig lebensbedrohlichen Situationen ausgeliefert sind, nicht traumatisiert sind. Ohne die ausgeprägten, weit spezialisierten Denkfähigkeiten des Menschen haben sie es leichter. Sie können nicht über vergangene Bedrohungen nachdenken und unterdrücken demzufolge auchkeine Körperimpulse, die danach auf Zellebene eingefroren werden. Traumata können nicht über unseren Verstand gelöst werden, im Gegenteil – dieser verhindert sogar die Heilung.
Das entspannte Sein im Wasser lädt den Verstand ein, zu ruhen und nicht wie gewohnt in den Vordergrund zu treten. Durch liebevolles Massieren und Halten der verspannten Körperteile wird der Körper eingeladen, mehr und mehr loszulassen. Es kann zu energetischen Entladungen kommen, zum Zittern und Zucken einzelner Muskelpartien – das Trauma entlädt sich. Für kurze Zeit taucht oft noch einmal das unangenehme Gefühl von damals auf, diesmal aber in sicherer Begleitung durch den Partner.
Damals war es für das kleine Kind wirklich schlimm. Doch jetzt ist die Liebe und Präsenz eines aufmerksamen Partners zu spüren. Vielleicht pendeln diese Seiten mehrmals hin und her. Schließlich tritt Entspannung ein. Es kommt etwas zum Ende und zur Ruhe, was lange schon auf Befriedung gewartet hat.
Ein tiefer Kontakt zu sich selbst entsteht, Lebensfreude und Lebendigkeit kehren ein.
Heilung aus der Entspannung
Aus dem Neurolinguistischen Programmieren (NLP) ist bekannt, dass Anspannung und Entspannung gleichzeitig für das Nervensystem nicht möglich sind. Gehalten und bewegt im warmen Wasser kann der körperlich gespeicherte Stress „auftauen“ und abfließen. Es kommt zu einem „Ankerausgleich“, wie man im NLP sagt.
Körper und Seele produzieren in der tiefen Entspannung die Bilder, die gerade zur Heilung gebraucht werden. Unabhängig vom Aqua-Release® Healing verbreiteten sich etwa zeitgleich andere Methoden der Warmwasserarbeit, wie Watsu (Water Shiatsu), Wata (Wassertanzen), Aqua-Balancing und weitere.
Sie haben jeweils unterschiedliche Ansätze und sind doch in vielem ähnlich. Das Besondere bei Aqua-Release® Healing ist der Verzicht auf technisch komplizierte Abfolgen im Wasser und der tiefe Kontakt zwischen Gebendem und Nehmendem. Es werden Griffe und Möglichkeiten gezeigt. Jeder Gebende lässt sich dann von seiner Intuition leiten. Wenn mehrere Paare gleichzeitig im Wasser sind, macht jedes etwas anderes, und dennoch sind alle in einer meditativen, beinahe heiligen Stimmung miteinander verbunden.
Diese intuitive, liebevolle und sichere Unterstützung durch den Gebenden hat maßgeblichen Anteil an der heilsamen Wirkung wie auch die Nachbereitung im Gruppenraum mit Healing Sessions und der Aufarbeitung der Erlebnisse im Wasser.
Optimale Temperatur
Leider ist die wohltuenden Wirkung der Wasserarbeit noch wenig bekannt.
Die für die tiefe Heilungsarbeit mögliche Temperaturspanne ist sehr klein. Wir haben viele Jahre mit einem Präzisionsthermometer geforscht: Bereits 0,2 Grad machen einen deutlichen Unterschied für das Befinden des Nehmenden aus. Der benötigten Wassertemperatur von 36,0 Grad stehen jedoch technische und finanzielle Probleme sowie ökologische Aspekte gegenüber.
Nicht nur in Berlin gibt es zu wenig Schwimmbecken, die auf reale 36 Grad aufgeheizt werden können. Da viele Schwimmbäder zu Zeiten billiger Energie gebaut wurden und deshalb schlecht isoliert sind, versuchen deren Betreiber Heizkosten zu sparen. Manche Bewegungsbäder in Krankenhäusern oder Babyschwimmbecken erhöhen mit viel gutem Zureden die Temperatur auf 35 Grad, jedoch reicht dies meist nicht für eine tiefe Entspannung aus.
Atmosphärisch sind die meisten Bäder ohnehin für tiefe Seelenarbeit wenig einladend. Manche Wassertherapeuten mögen das Liquidrom in Berlin. Es ist warm genug, doch auch nicht jeder mag die Salzsole, laute Unterwassermusik, Schummerbeleuchtung und die hohe Besucherzahl zu manchen Tageszeiten.
Für die Zukunft haben wir deshalb große Pläne:
Wir haben die Vision, in Kooperation mit anderen Wassertherapeuten in Berlin ein großes Wasserpsychotherapiezentrum aufzubauen, mit angeschlossenen Seminarräumen und Hand in Hand mit einer großen Physiotherapiepraxis.
Vorbild ist momentan noch Kisslegg im Allgäu, wo sich ein großes, geschütztes und warmes Schwimmbad befindet, das zu einem Seminarhotel gehört. Dort finden seit fast zwanzig Jahren viele Trainings verschiedener Wassertherapeuten statt. Die heilenden Möglichkeiten der Wasserarbeit können sich hier besonders gut entfalten. Dort finden auch auch unsere Seminare und die „Heilungswege für allein geborene Zwillinge“ mit Aqua-Release® Healing statt.